Bei der Einladung zur Blogparade #LampenFieberTipps macht mein Körper sofort eine Zeitreise.
Ich sitze als Zehnjährige in einem stinkenden Klassenzimmer und verzweifel an einer Textaufgabe. Verdammt, ich weiß nicht, wann Karin und Michael mit der Geschwindigkeit xy ihr Ziel xy erreichen werden.
Ich könnte den beiden sofort ein Mini-Coaching geben, warum Karin und Michael überhaupt in diesem Auto sitzen und in welcher Beziehung sie zueinander stehen.
In zehn Minuten ist Abgabetermin. Mir ist schlecht, kalter Angstschweiß fließt über meinen Rücken, ich habe Angst zu versagen. Ding. Dong. Abgeben …
Mist, ich bin doch nicht doof oder faul: Gestern habe ich den ganzen Tag mit meiner Freundin Dagmar gepaukt. Ich bin wütend auf mich und schleppe mich nach Hause …
Vierzehn Tage später halte ich das Ergebnis in den Händen.
Ungenügend
Ungenügend – steht da wieder in meinem Klausurheft. Ich bin nicht ungenügend. Zum Glück wissen das meine Eltern auch und führen ein Gespräch mit dem Mathelehrer. „Machen Sie mit Ihrer Tochter doch vor der Klausur etwas Schönes.“ lautet sein Tipp.
Meine Mutter hat – für eine Ballettschülerin wie mich – eine hervorragende Idee. Am Abend vor der Matheklausur schauen wir uns gemeinsam das Ballett „Der Nussknacker“ an.
Ich bin so glücklich; das Remscheider Stadttheater kommt mir vor die Mailänder Scala. Selig schlafe ich spätabends ein und träume von dem Prinzen, der mit seiner Clara in das Reich der Süßigkeiten reist. Nein, nicht mehr mit Clara, sondern mit Ulrike …
Drei Wochen später halte ich meine zensierte Mathearbeit in den Händen. Diese Ulrike, die nachts von Prinzen träumt und in ihrer Freizeit Ballett tanzt, ist wohl ein verkanntes Mathegenie:
Gut
Jubel. Kreisch. Freudensprünge. Gut steht da in meinem Heft. „Aha, wenn ich meine gute Vorbereitung mit guten Gedanken kombiniere, schreibe ich bessere Noten“, analysiere ich als Zehnjährige.
Diese Lernerfahrung hat mich für alle späteren Prüfungssituationen wie Abitur, Ausbildung, Studium und Job sehr geprägt. Damals wie heute lautet meine persönliche Formel gegen Prüfungsangst:
Vorbereitung + Mentale Kraft = Erfolg
Diese Formel vermittle ich auch meinen Coachees, die sich auf ein Bewerbungsgespräch, Einstellungstest oder Karrieregespräch vorbereiten wollen und ergänze sie mit praktischen Tipps.
Praktische Tipps gegen Prüfungsangst:
Lerne richtig
Prüfungsangst entsteht, wenn wir uns auf den letzten Drücker vorbereiten. Lege wie ein Projektmanager genau fest, an welchem Tag du deinen Lernstoff beherrschen möchtest. Plane mindestens einen halben oder ganzen Tag Puffer vor unvorgesehene Störungen ein. Bereite dir den Lernstoff in kleine Häppchen gehirngerecht auf. Belohne dich, wenn du einen Haken hinter einem Kapitel machen kannst.
Finde deine Entspannungs-Hitliste
Als Mathe-Schülerin habe ich häufig wie ein übertrainierter Sportler zu viel gemacht. Am Ende war mein Gehirn overloaded, meine Synapsen fehlgeschaltet und dann ging gar nichts. Gönne dir gerade vor einer wichtigen Prüfung ausreichend Entspannung. Lege dir eine Hitliste mit deinen Entspannungsmethoden an. Meditieren, laufen, singen, musizieren – was ist es bei dir?
Bleib sauber
Verzichte auf verschreibungspflichtige Schmerz-, Beruhigungs- oder Aufputschmittel, um dein Gehirn vor Prüfungen zu dopen. Erstens weißt du nicht, wie das Zeug auf deinen Körper wirkt, zweitens kannst du davon abhängig werden. – Mein Ballett-Mathe-Erlebnis hat mir früh gezeigt, dass der mächtigste Drogenboss zwischen unseren Ohren sitzt. Mit unserem Gehirn können wir unsere Gedanken und Einstellungen beeinflussen. Ja, du hast recht, das dürfen wir jeden Tag trainieren.
Organisiere dich
Ein simple Gewohnheit aus meiner Schulzeit ist für mich zu einem liebgewonnen Ritual geworden. Alle organisatorische Dinge, die ich vor einer Prüfung – oder wichtigem Kundentermin – vorbereiten kann, mache ich an den Abend vorher. Früher habe ich meinen Tony gepackt, heute ist es meine Aktentasche. Ich lege mir meine Kleidung raus, die ich tragen werde. Alle Informationen über Anreise, Ort, Gesprächspartner habe ich vorher recherchiert. Selbst mein Lieblings-Kaffeebecher steht schon auf dem Frühstückstisch …
Fokussiere dich
Wie ein Yedi-Ritter gehst du vorbereitet in die Prüfung. Du hast alles getan, was du tun konntest. Nein, du wirst nicht mehr vor der Prüfung mit anderen Prüflingen reden. Du bleibst jetzt ganz bei dir. Du schaffst das. Konzentriere dich auf deine Atmung. Atme tief in deinen Bauch hinein, so daß er sich nach vorne wölbt und sich die inneren Organe entspannen können. Beim Ausatmen lasse deine Angst, Anspannung aus deinem Körper weichen.
Happy End
Trotz meiner Matheschwierigkeiten habe ich später Betriebswirtschaft studiert, im ersten Semester meinen Mathe/Statistik-Schein mit gut bestanden und sogar Nachhilfe in Statistik gegeben.
Der Beitrag Prüfungsangst überwinden – mit den richtigen Drogen erschien zuerst auf Ulrike Zecher Emotionsberatung.